Bundespräsidentenwahl in Deutschland Eine Bilanz ein paar Tage vor der Wahl

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Fondation Robert Schuman

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28 June 2010
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Robert Schuman Fondation

Fondation Robert Schuman

Der überraschende Rücktritt des Bundespräsidenten Horst Köhler am 31. Mai kam in einer schwierigen Zeit für die Regierungskoalition. Diese Koalition wird von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geleitet und versammelt die Christlich Demokratische Union/Christlich Soziale Union (CDU/CSU) und die Freie Demokratische Partei (FDP). Die Kanzlerin musste eine riskante vorgezogene Präsidentenwahl organisieren. Der Kandidat der Sozialdemokratischen Partei (SPD) und der Grünen, der Pastor Joachim Gauck, gilt ein paar Tage vor der Wahl am 30. Juni als aussichtsreichster Kandidat. Die Präsidentenwahl hat noch nie so viel Interesse in Deutschland hervorgerufen. Das Staatsoberhaupt, dessen Amt v.a. ein Ehrenamt ist, wird von der Bundesversammlung gewählt, die 612 Mitglieder des Bundestags und eine gleiche Mitgliederzahl aus den Ländern (Abgeordnete aus den Länderparlamenten oder Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft) umfasst.

Joachim Gauck beschreibt sich als „linker Konservativer". Er betont, dass er den liberalen Werten nahe steht und denkt, dass er dank der Stimmen von manchen CDU/CSU- und FDP-Angehörigen zum Präsidenten gewählt wird. Der Kandidat der linken Kräfte ist ein Freund der derzeitigen Kanzlerin. Er hat in der Bild-Zeitung erklärt, dass er „der Kandidat von Angela Merkel" hätte sein können. „Es ist aber ganz und gar nicht meine Absicht gewesen und ist es immer noch nicht, mit meiner Kandidatur der Bundeskanzlerin Schaden zuzufügen. Ich habe ihren Weg an die Spitze der Macht mit hoher Anerkennung und Freude verfolgt. Es geht mir nicht um einen parteipolitischen Coup und schon gar nicht um eine persönliche Auseinandersetzung", hat er erklärt.

Joachim Gauck möchte nicht als jemand charakterisiert werden, der Angela Merkel zu Fall bringen könnte, und er hat angegeben, dass er beinahe das Angebot der Kandidatur um das Bundespräsidentenamt ausgeschlagen hätte, um die Kanzlerin nicht in Bedrängnis zu bringen.

Ich war überrascht und fühlte mich geschmeichelt, dass man für dieses Amt an mich gedacht hat. Aber es war wirklich nicht meine Absicht, Angela Merkel zu behindern. Ich bin mir sicher, dass sie meine Bewerbung nicht als einen Angriff gegen ihre Regierung sieht. Ich will nur das Beste für das Land", hat Joachim Gauck erklärt. Der Pastor, der ursprünglich wie auch die Bundeskanzlerin aus der ehemaligen DDR kommt, ist ein Bürgerrechtsaktivist. Er hat nach dem Fall der Berliner Mauer im Jahre 1989 die Forschung in den Stasi-Archiven geleitet.

Trotz der Erklärungen von Joachim Gauck sorgt seine Kandidatur in der Regierungskoalition für Unruhe. Der Spiegel hatte ihn als „besten Präsidenten" bezeichnet. Mehrere Persönlichkeiten des rechten Lagers haben ihm bereits ihre Unterstützung zugesichert: Holger Zastrow, FDP-Vorsitzender des Landes Sachsen, Kurt Biedenkopf (CDU), der bei der Kanzlerin angefragt hat, den Wählern die freie Wahl am 30. Juni zu lassen, und Jörg Schönbohm, ehemaliger CDU-Vorsitzender des Landes Brandenburg, hat erklärt: „Ich frage mich, warum es im konservativen Lager nicht möglich sein könnte, mit der sozialdemokratischen Partei über den Kandidaten Joachim Gauck einig zu sein". Die Sozialdemokraten bestehen auf der moralischen Autorität ihres Kandidaten. „Joachim Gauck bringt ein Leben mit in seine Kandidatur und in sein Amt", hat der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel betont.

Wenn der Kandidat der SPD und der Grünen die rechten Kräfte anzieht, so gefällt er hingegen nicht der linken Partei (Die Linke). Die Abgeordnete Gesine Lötzsch hat erklärt, dass die Mitglieder der Partei Die Linke „in keinem Fall für Joachim Gauck wählen könnten", und dies aufgrund seiner Vergangenheit als antikommunistischer Aktivist. Die Partei stellt ihre eigene Kandidatin bei der Präsidentenwahl am 30. Juni: Lukrezia Jochimsen, ehemalige Soziologin, Journalistin und ehemalige Abgeordnete.

Der Kandidat der Regierungskoalition heißt Christian Wulff (CDU). Der ehemalige Ministerpräsident des Landes Niedersachsen (2003-2010), der von diesem Amt zurückgetreten ist, um bei der Präsidentenwahl zu kandidieren (er wurde von David McAllister ersetzt), war nicht die erste Wahl von Bundeskanzlerin Angela Merkel für dieses Amt. Sie hatte sich gewünscht, dass die derzeitige Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) Horst Köhler nachfolgt, bevor sie dem Druck der führenden Politiker der Partei und des Regierungspartners (FDP) nachgab.

Nach den Rücktritten von Roland Koch (CDU), Ministerpräsident von Hessen, und von Jürgen Rüttgers (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, der bei den regionalen Wahlen am 9. Mai Stimmeneinbußen hinnehmen musste, kann die Kanzlerin nur hoffen, dass sie im Falle eines Sieges von Christian Wulff einen weiteren ihrer Gegner in der CDU loswerden kann, indem sie „einem ihrer letzten potenziellen Rivalen in einem goldenen Käfig des Schlosses Bellevue" einen Platz zuweist, hat der Politologe Gerd Langguth gesagt.

Kurzfristig kann das Jahr 2010 (...) für die Kanzlerin Angela Merkel vorteilhaft sein, die sich nicht mehr um ihre Rivalen sorgen muss. Aber auf lange Sicht ist dies schlecht für sie, da sie nunmehr immer mehr die Partei dazu überzeugen muss, ihr zu folgen. Und es könnte sein, dass sich die Partei früher oder später sagt: „Wir brauchen jemand anderen", analysiert der Gero Neugebauer, Politologe der Freien Universität Berlin.

Ich denke, dass ein Präsident der Republik in der Lage sein muss, Menschen zusammenführen, Brücken zu bauen und integrativ zu wirken", hat Christian Wulff erklärt, der in seinem Land (Niedersachsen) eine Ministerin mit türkischem Ursprung ernannt hat. Im April stand diese jedoch in den Schlagzeilen, als sie dazu aufgerufen hatte, die Kruzifixe in deutschen Schulen zu entfernen; eine inakzeptable Maßnahme für die Katholiken der CDU/CSU.

Die Meinungsumfragen zeigen, dass die Deutschen Joachim Gauck an die Spitze Deutschlands wählen würden, wenn sie wählen dürften: Nach dem Politikbarometer der ZDF würden 39% von ihnen Joachim Gauck wählen und 31% wären für Christian Wulff. Nach einer Umfrage des Instituts Forsa für die Wochenzeitschrift Stern würde Joachim Gauck 42% der Stimmen der Bevölkerung erhalten und Christian Wulff 32%. Eine Meinungsumfrage, die von der ARD veröffentlicht wurde, sieht Joachim Gauck mit 40% der Stimmen der Deutschen vor Christian Wulff mit 31%.

Die CDU/CSU et die FDP besitzen in der Bundesversammlung 21 Sitze mehr als ihre Gegner. Dies ist a priori ein ausreichender Vorsprung, um Christian Wulff zu wählen. Aber ist eine Überraschung möglich? Derzeit hat sich Angela Merkel von der Präsidentenwahlkampagne zurückgezogen.

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